Widerstand der Wirtschaft

Handelsblatt, Montag, 19.5.97

Washington. US-Studenten haben kurz vor Ostern die Debatte um die Verschlüsselung elektronischer Daten angeheizt: Es gelang ihnen, Verschlüsselungen des digitalen Mobilfunks zu knacken. Die Us-Regierung hatte weiland bei der Einführung des drahtlosen Telefonierens für einen relativ niedrigen Verschlüsselungsgrad plädiert. Der Grund: Der Geheimdienst CIA und andere Sicherheitsbehörden sollten beim Export von Kommunikationsanlagen einen Zugriff auf die verschlüsselten Daten haben - auch im Ausland.

Auf Druck der Wirtschaft hat die US-Regierung Ende vergangener Woche einen geplanten Gesetzentwurf zur Hinterlegung von Verschlüsselungen und zur Verbesserung der Verschlüsselung zurückgezogen. Die Unternehmen hätten sich des von der Regierung gewählten Verschlüsselungsstandards bedienen und den Schlüssel, der den Zugang zu den übermittelten Daten öffnet, hinterlegen müssen.

Widerstand der Wirtschaft

Dagegen lief die Wirtschaft Sturm. Sie wandte sich gegen das geplante "TTP-System", wonach die Schlüssel bei einer "Trusted Third Party" hinterlegt werden sollen. Die Gesetzesinitiatoren unterstellten wohl, dass das Internet ein Tummelplatz von Terroristen und Drogenhändlern ist. Damit sind sie, wie ein in der Materie gut bewanderter Anwalt sagt, "schon auf die Nase gefallen". Nun wollen US-Produzenten auch verhindern, dass sich in dritten Ländern auf Grund überholter Informationen eine zu rigide Gesetzgebung entwickelt.

Bill Reinsch vom US-Handelsministerium - der in der Kryptographie-Diskussion führenden amerikanischen Behörde - sicherte dem US-Bankenverband ABA bereits zu, dass eine restriktive Verschlüsselungspolitik für Finanzdienstleistungen nicht mehr geplant ist. Nur: In Europa ist dieser Schwenk der amerikanischen Regierung noch nicht bekannt. Bei einer Anhörung zum "Informations- und Kommunikationsdienstegesetz" (IuKDG) am vergangenen Mittwoch im Bundestag gingen Wirtschaftsministerium und Kanzleramt noch davon aus, dass in den USA strenge Kriterien zur Verschlüsselung eingeführt werden sollen.

Chance für Einigung mit den Amerikanern

Statt dessen wird im US-Kongress schon von einem Gesetz zur Liberalisierung des Exports von Verschlüsselunganlagen gesprochen. Der Protest der Wirtschaft auf den ersten Gesetzentwurf hat offensichtlich Erfolg gehabt. Doch die in der Herstellung und dem Export von Verschlüsselungsanlagen engagierten US-Unternehmen lassen nicht locker: Sie wollen auch in anderen Ländern einschränkende gesetzliche Vorschriften verhindern.

Bundeswirtschaftsminister Günther Rexrodt sagte bei seinem jüngsten Besuch in Washington diplomatisch, dass die amerikanische und die deutsche Position zur Kryptographie "nicht deckungsgleich" seien. Nun haben Deutschland und die USA eine Chance, einen neuen Einigungsversuch zu unternehmen.

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