Kanther bläst zum Halali:
Tod einer Zukunftsbranche Regierungsziel?
Anläßlich der Eröffnungsrede von Bundesinnenminister Manfred
Kanther zum 5. Deutschen IT-Sicherheitskongreß in Bad Godesberg
erklärt der Experte für Informations- und Kommunikationstechnologie
der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, MdB:
Mit der heutigen Rede von Bundesinnenminister Kanther wird zur
Gewißheit, was bisher schon vermutet, von Regierungsseite aber stets
bestritten wurde: Die Bundesregierung beabsichtigt, mit einer
restriktiven Regulierung des Einsatzes von Verschlüsselungstechnik
die Grundlagen jeglicher Datensicherheit in Deutschland zu zerstören
und die Anwender sicherer Krypto-Produkte in die Nähe von
Kriminellen zu rücken. Den heimischen Informationsunternehmen
versetzt sie damit einen Tiefschlag. Eine weitere Zukunftsbranche mit
großen Wachstumschancen ist akut gefährdet.
Mit seiner Forderung, bei der Anwendung von Verschlüsselungstechnik
müßte ein digitaler "Nachschlüssel" bei staatlichen Stellen
hinterlegt werden, hat sich der Minister die sachlich falschen
Vorschläge von CSU und Geheimdiensten auf die Fahnen geschrieben.
Diese fordern schon lange eine Beschränkung des Einsatzes
kryptographischer Verfahren, aus Angst, ihre Abhörmöglichkeiten
könnten bei zunehmender Anwendung dieser Technik schwinden.
Eine Krypto-Regulierung, wie sie der Minister vorschlägt, wäre im
Kampf gegen Kriminelle jedoch eine stumpfe Waffe: Nicht nur, daß
sich beliebig Daten in unverfänglichen Dateien verstecken lassen
(Steganographie), viel leichter wäre es für "schlaue Gangster",
wenn sie ihre Informationen zunächst mit illegalen Methoden sicher
verschlüsseln, um sie dann noch nach außen hin mit einem
unsicheren, staatlich zugelassenen "Krypto-Umschlag" zu tarnen. Im
Strom der immer gleich aussehenden digitalen Daten könnten solche
Manipulationen nur entdeckt werden, wenn man alle
Kommunikationsvorgänge prophylaktisch überwacht. Ein
Überwachungstaat Orwell'schen Ausmaßes würde entstehen.
Verständlich, daß das, was Kanther heute vorgeschlagen hat, der
Alptraum aller Unternehmer, Datenschützer und Sicherheitsexperten
ist und auf ihre einhellige Ablehnung stößt.
Kanthers Rede ist zugleich ein Symbol für tiefe Zerrissenheit in der
Bundesregierung: Noch am vergangenen Freitag hatte sich
Justizminister Schmidt-Jortzig in der Bundestagsdebatte zum
Multimediagesetz IuKDG klar gegen eine Krypto-Regulierung
ausgesprochen, der zuständige Berichterstatter der FDP, Karl-Hans
Lärmann, versicherte sogar "unmißverständlich", es werde keine
Kryptographieverbote oder -Beschränkungen geben. Die Halbwertzeit
solch liberaler Maskerade läuft im Bundeskabinett aber
offensichtlich immer schneller ab. Oder aber es versteckt sich hier
eine Unstimmigkeit in der Koalition, die sich - wie so oft in der
Vergangenheit - am fehlenden Rückgrat der FDP entscheiden wird.
Nach der Devise "Wo ein Gangster, da ist Kanther", will der Minister
durch eine Kombination von personellen, technischen und juristischen
Maßnahmen den Sicherheitsbehörden das uneinge-schränkte
Überwachen jeglicher Kommunikation ermöglichen. Ob sensibelste
medizinische, persönliche oder geschäftliche Informationen, mit
der Hinterle-gung eines "Nachschlüssels" eröffnen sich für seine
Geheimdienste ungeahnt neue Möglichkeiten: Die Daten lassen sich
nicht nur "mithören" sondern zugleich auch perfekt manipulieren.
Den (un)heimlichen Wettbewerb mit Forschungsminister Rüttgers unter
dem Motto: "Wer zerstört die Konkurrenzfähigkeit deutscher
Zukunftsunternehmen am Besten" gewinnt er damit klar nach Punkten.
Pech für Rüttgers, daß er seinem Konkurrenten Kanther diesmal auch
noch die Steilvorlage geliefert hat, in Form seiner Vorschläge für
ein Signaturgesetz, das die künftigen Überwachungsstrukturen schon
vorzeichnet:
Die privaten Unternehmen, bei denen man künftig seinen Schlüssel
für die digitale Signatur beantragen kann, könnten künftig
diejenigen sein, die für die Hinterlegung eines "Nachschlüssels" zu
sorgen haben. Diese Unternehmen werden so zum Hauptangriffsziel
aller Kriminellen und Wirtschaftsspione der Welt, denn einmal im
Besitz eines "Nachschlüssels" können auch andere als die
Berechtigten hineinschauen und manipulieren! Aber, selbst wenn
Verfahren und Technik wirklich sicher wären: Mit welcher Begründung
könnte nach Einführung der Kantherschen Regelung ein deutsches
Unternehmen ausländischen Behörden noch die Aushändigung eines
"Nachschlüssels" verweigern, wenn es z.B. mit seiner chinesischen
Filiale kommunizieren will? Ausgerechnet den gesetzestreuen Anwendern
würde durch den Innenminister also Datenschutz und Datensicherheit
verweigert.
International operierende Unternehmer, aber auch auf Vertraulichkeit
und Sicherheit bedachte Privatleute, sind heute auf wirksame,
teilnehmerautonome Verschlüsselungsverfahren angewiesen. In offenen
Datennetzen wie dem Internet besteht dafür sogar ein legitimes, ja
vitales Interesse. Zudem ist sichere Verschlüsselung die
unverzichtbare Grundvoraussetzung für jede ernsthafte geschäftliche
oder behördliche Anwendung der Informationstechnik. Die Vorschläge
Kanthers, die an eine Kopie des in den USA längst überwundenen
"Key-Escrow"-Konzepts erinnern, werden dem nicht gerecht.
Effektive Verbrechensbekämpfung auch in einer globalen
Informationsgesellschaft zu gewährleisten, bleibt eines der
wichtigsten Ziele verantwortungsvoller Politik. Wenn aber Kanthers
Stammtischgeschwätz in Deutschland Gesetz wird, ist lediglich eine
weitere Chance vertan, unserem Land den Anschluß an die
Zukunftstechnologie zu ermöglichen: Echte "Gangster" wird Minister
Kanther mit seinen Vorschlägen jedenfalls keine fassen.
27.04.97/mö
Jan Mönikes, Parlamentarischer Mitarbeiter
Jörg Tauss, MdB, Bundeshaus, 53113 Bonn
moenikes@mdb5.bn.eunet.de
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