Presseerklärung - 28.04.1997
Wirtschaftsspionage: Deutscher Innenminister unterstützt
US-Geheimdienste
Der Chaos Computer Club nimmt mit Erschrecken die Äußerungen des
Bundesinnenministers Kanther anläßlich des BSI-Kongresses in Bonn zur
Kenntnis,in denen dieser eine staatliche Reglementierung von
Verschlüsselungstechnologie fordert.
Kanther schwenkt damit nach Ansicht des Chaos Computer Club auf die Linie
der US-amerikanischen Regierung ein, die zum Ziel hat, den amerikanischen
Geheimdiensten weltweit den problemlosen Zugriff auf jedwede elektronische
Kommunikation zu sichern.
"Konsequenterweise müßte man Innenminister Kanther Beihilfe zum Landesverrat
vorwerfen" kommentierte Club-Sprecher Andy Müller-Maguhn den Vorgang.
Der Innenminister hatte in Bonn eine gesetzliche Regelung vorgeschlagen, die
vorsieht, daß alle "Schlüssel" beim Einsatz von kryptographischen
Verfahren bei einer staatlichen Stelle hinterlegt werden. "Dies käme dem
Vorschlag gleich, daß alle Bürger einen Nachschlüssel zu ihrer Wohnung und
die Geheimzahl ihrer EC-Karte beim örtlichen Polizeirevier abgeben sollten -
das dabei entstehende Sicherheitsrisiko gegen untreue oder übereifrige
Polizeibeamte ist mit den Grundsätzen eines demokra- tischen Staates
sicherlich nicht vereinbar." kritisierte Müller-Maguhn den Vorstoß des
Innenministers.
Die Verwendung kryptographischer ("Verschlüsselungs-") Verfahren dient der
Gewährung von Vertraulichkeit und Privatsphäre in unsicheren Umgebungen wie
z.B. dem Internet. Die Verschlüsselung einer Nachricht ist vergleichbar mit
der Verwendung eines besonders gut zugeklebten Briefumschlages statt einer
für jeden Transporteur lesbaren Postkarte. Im jetzigen Internet haben
elektronische Nachrichten praktisch nur Postkartencharakter.
Die amerikanische Regierung hat für den von amerikanischen Unternehmen
dominierten Softwaremarkt für Personal Computer u.a. Exportbeschränkungen
für den Einsatz derartiger Verschlüsselungsverfahren erlassen. So ist
amerikanische Software für den Vertrieb im Ausland grundsätzlich so
gestaltet, daß amerikanische Regierungsstellen die verarbeiteten Inhalte -
z.B. von ausländischen Regierungsstellen und Wirtschaftsunternehmen mitlesen
können.
Bisher war der Einsatz dieser Verfahren in Deutschland - wie in den meisten
demokratischen Staaten - frei, damit sich z.B. auch deutsche Unternehmen bei
Entwicklungen gegen amerikanische Konkurrenten abschotten können. Für viele
Unternehmen ist dies ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, da
Industriespionage auch gegen "befreundete Staaten" eine wesentliche Aufgabe
praktisch aller Geheimdienste ist.
Die Argumentation des Innenministers, Kriminelle könnten durch eine
Verschlüsselungsreglementierung daran gehindert werden, die Aufklärung durch
Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden unmöglich zu machen, hält einer
rationalen Überprüfung nicht stand. Kriminelle zeichnen sich ja in der Regel
dadurch aus, daß sie Gesetze nicht beachten. Vielmehr wird so gegenüber dem
normalen Bürger der Anschein erweckt, der effektive Schutz seiner Privats-
sphäre in der Informationsgesellschaft sei quasi illegal.
"Dies ist definitiv das falsche Signal aus der Politik für einen
vertrauensvollen Weg in die Informationsgesellschaft" faßt CCC-Sprecher
Müller-Maguhn die Kritik zusammen.
Die Schwäche dieser Argumentation ist insbesondere den amerikanischen
Diensten schon länger bewußt. Der CCC geht daher davon aus, daß diese
Irrationalität durch gezielte Propaganda der US- und anderer Behörden in den
nächsten Wochen unterstützt wird.
Hintergrund
Der US-amerikanische Geheimdienst NSA ("National Security Agency") betreibt
zu Spionagezwecken ein weltweites Abhörsystem namens "Echelon", daß durch
Mitlauschen auf Telefon- und Datenleitungen aller Art Informationen einholt.
Das System, daß u.a. Satelliten-, Mobil- und Richfunkstrecken sowie
Festnetzleitungen erfaßt hat eine deutsche Station im bayrischen Bad Aibling
auf amerikanischen Militärgelände.
Weitere Informationen hierzu sind im Internet verfügbar:
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Andy Müller-Maguhn, andy@ccc.de, Pf 840, D-10048 Berlin, +49-161-2447146
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