Der Präsident des Verfassungsschutzes, Peter Frisch, hat in einem Interview
ein Kryptogesetz gefordert, das der Hilflosigkeit des deutschen Staates
angesichts verschlüsselter Botschaften aus Extremistenkreisen ein Ende
setzt. Gleichzeitig gibt es in Bonn erneut Bestrebungen, eine generelle
Genehmigungspflicht für Kryptographie einzuführen, hinter denen vor allen
Innenminister Kanther steht. Demnach soll der Vertrieb von Programmen oder
Hardware, die kein "Schlüsselloch" für die Sicherheitsbehörden enthalten,
unter Strafe gestellt werden. Damit würde jeder, der nicht genehmigte
Verschlüsselungsprogramme verwendet, automatisch verdächtig und "zu
weiterführenden Ermittlungen Anlaß" geben.
Diese Diskussion hat in der Wirtschaft zu Befürchtungen geführt, daß
politische Entscheidungen getroffen werden könnten, die ihr angestrebtes
sicherheitspolitisches Ziel nicht erreichen können, unnötige Kosten
verursachen und der deutschen Wirtschaft schaden. Die gesteckten Ziele,
nämlich die organisierte Kriminalität und andere, z.B. extremistische
Gruppen, unter Kontrolle zu haben, sind von den tatsächlichen Möglichkeiten
ihrer Erreichbarkeit denkbar weit entfernt:
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Solche Regelungen sind nicht durchsetzbar, es sei denn, man will den
totalen Überwachungsstaat, in dem alle Kommunikationsvorgänge der Bürger
überwacht werden.
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Kriminelle werden sich von solchen Restriktionen nicht abhalten lassen, da
sie sich durch den Gebrauch "illegaler" Kryptographie und anderer
Verfahren (z.B. Steganographie) der Strafverfolgung entziehen können.
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Gesetzestreue Unternehmer und Privatleute können Datenschutz und
Datensicherheit für sich und ihre Geschäfte nicht mehr verwirklichen.
Die Bestrebungen der Bundesregierung verfehlen ihr Ziel und führen komplett
in die falsche Richtung, denn sie treffen ausschließlich die falschen:
diejenigen der Bürger, die sich an gesetzlichen Bestimmungen zu halten
pflegen und die zunehmend entscheidende Ressource "Information" vor
Wirtschaftsspionage schützen und ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht
wahren wollen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Deutsche Sicherheitsbehörden engagieren sich jetzt erneut für eine
gesetzliche Regelung der Kryptographie, nach der nur solche
Verschlüsselungsverfahren zum Einsatz kommen dürfen, bei denen die
Sicherheitsbehörden im Falle einer gesetzlichen Abhörmaßnahme entschlüsseln
können. Dieser Ansatz muß schon deshalb scheitern, weil ein weitgehend
nutzloser Aufwand betrieben würde, der nur falsche Hoffnungen nährt, denn de
facto ist eine Kryptoregulierung und -kontrolle überhaupt nicht
durchsetzbar:
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Ruf- und Identifikationsnummern von Personen werden zukünftig den
Sicherheitsbehörden nicht mehr in jedem Fall bekannt sein, weil die
Nummern auf Chipkarten gespeichert sind, die auch im Ausland beschafft und
getauscht werden können.
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Kryptologie wird weltweit an Universitäten gelehrt, und
Verschlüsselungssoftware kann über das Internet frei bezogen werden.
Statt ihre Schlüssel zum Ver- und Entschlüsseln selbst zu generieren, wären
Millionen von Unternehmern und Privatleuten gezwungen, ihre Schlüssel von
Trust-Centern zu beziehen. Neben enormem Kosten- und Verwaltungsaufwand
würde die Hinterlegung der gesamten Schlüssel für die deutsche Wirtschaft
ein erhebliches Mißbrauchspotential darstellen: geradezu eine Einladung für
fremde Nachrichtendienste und in- und ausländische Konkurrenten, da die
Sicherheit ausschließlich in der Hand der Mitarbeiter in den Trust-Centern
liegt.
Zuverlässige Hersteller von Verschlüsselungssystemen legen das
Schlüsselmanagement komplett in die Hand und den Verantwortungsbereich ihrer
Kunden, d.h. es gibt keine "Zweitschlüssel" beim Hersteller. Auch die
deutschen Behörden wissen, wie wichtig vertrauenswürdige
Verschlüsselungsverfahren für Kommunikations- und Datenschutz sind, denn sie
schützen sich selbst mit zertifizierten Kryptosystemen vor unberechtigten
und kriminellen Mithörern.
Die deutsche Wirtschaft kann international nur konkurrenzfähig bleiben, wenn
sie die heutigen Möglichkeiten der Kommunikationstechnologie nutzt, und
diese kann ungestraft nur nutzen, wer sich mit Verschlüsselung gegen
Industriespionage und kriminelle Hacker schützt. Kryptographieverfahren
werden bei Wirtschaft und Behörden gerade gegen kriminelle Machenschaften
eingesetzt und ihr Einsatz darf daher nicht selbst in den Bereich
krimineller Aktivitäten gerückt werden.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Vorschläge für eine
Kryptoregulierung nicht genügend durchdacht sind, denn eine solche Regelung
kann zur Verbrechensbekämpfung keinen Beitrag leisten, für die sie ja
eingesetzt werden soll, und schadet darüber hinaus der deutschen Wirtschaft,
die für internationale Konkurrenzfähigkeit und den Vorrang im
High-Tech-Bereich auf sichere und geprüfte Kryptographieverfahren angewiesen
ist und ihre Fortschritte auf dem Gebiet der Chipkarten und digitalen
Signatur nicht aufgeben kann und will.
22.01.97
Sabine Faltmann
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