27 Feb 1997 15:01:00 +0100
Landesbeauftragte für den
Datenschutz Schleswig-Holstein in de.soc.datenschutz
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27. Februar 1997 : :
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Der Landesbeauftragte fuer den Datenschutz Schleswig-Holstein
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Thesen des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten
Dr. Helmut Bäumler zum Verbot oder zur Einschränkung
von Verschlüsselungsverfahren anläßlich des
1. SPIEGEL-special-Dialogs am 26. Februar 1997 in Hamburg
These 1:
Kryptografie ist ein hervorragendes Instrument zur Sicherung des
Datenschutzes
Vor dem Hintergrund, daß bereits heute Millionen von Menschen über offene,
d.h. prinzipiell unsichere Netze kommunizieren, sind
Verschlüsselungstechniken geradezu ein Geschenk des Himmels. Durch sie
können:
- Vertraulichkeit
- Authentizität
- Integrität
wirksam geschützt werden.
Verschlüsselungssoftware ist leicht, z. B. aus dem Internet, zu bekommen und
auch für Nichtspezialisten zu handhaben.
Die für das Recht auf unbeobachtete Kommunikation und generell für die
Privatsphäre bedrohliche Informationstechnik wandelt sich damit in ein
mächtiges Instrument zum Schutz der Bürger.
These 2:
Wirksame Verschlüsselungsverfahren sind auch aus wirtschaftlichen Gründen
wichtig für den Standort Deutschland
Nur auf der Basis von kryptografischen Verfahren kann rechtsverbindlich über
Netze kooperiert werden (digitale Signatur).
Außerdem muß sich die Wirtschaft vor der Ausspähung durch Konkurrenten und
durch fremde Geheimdienste schützen können.
Ein Kryptoverbot (oder Einschränkung) wäre wettbewerbsfeindlich, da es der
Innovation bei der Entwicklung neuer Kryptierungsverfahren im Wege stünde
und dem Konsumenten die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Verfahren
nehmen würde.
Wirksame Verschlüsselungsverfahren brauchen auch alle Berufe, die auf eine
vertrauliche Kommunikation angewiesen sind, weil sie Berufsgeheimnisse zu
wahren haben, z. B. Journalisten, Ärzte, Rechtsanwälte, Psychologen,
Steuerberater, Unternehmensberater, Geistliche usw.
These 3:
Ein Kryptoverbot wäre praktisch kaum durchsetzbar
Die Fachleute gehen davon aus, daß ein Kryptoverbot in der Praxis nicht
durchgesetzt werden könnte, weil
- kaum überprüfbar ist, ob überhaupt verschlüsselte Daten vorliegen,
- in Netzen immer in Länder ausgewichen werden könnte, in denen kein Verbot
besteht,
- die Strafandrohung nur wirksam wäre, wenn sie höher wäre als für das
Delikt, das verschleiert werden soll,
- Steganografie eingesetzt werden kann, d. h. das Verstecken von
Informationen in anderen Daten.
These 4:
Auch Einschränkungen des Rechts, Informationen zu verschlüsseln, können
keine Lösung sein
Auch wenn kein Verbot der Kryptierung erlassen würde, sondern nur
Einschränkungen ausgesprochen würden, blieben die Bedenken bestehen, weil:
- alle Argumente gegen ein Verbot und die fehlende Kontrollierbarkeit auch
für darunterliegende Reglementierungen gelten,
- ein zusätzliches Risiko entstünde, wenn Schlüssel hinterlegt werden
müßten, weil es eine sichere Schlüsselverwahrung nicht gibt.
These 5:
Ein Verbot oder die Einschränkung der Verschlüsselung wäre
verfassungsrechtlich nicht haltbar
Die Verfassung schützt in Art. 10 GG die vertrauliche und unbeobachtete
Kommunikation als "unverletzlich". Auch das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung ist in den Art. 2 und 1 GG verfassungsrechtlich geschützt.
Eingriffe sind allein dann schon nicht zulässig, wenn sie ungeeignet sind,
weil die Eignung eine Grundvoraussetzung der Verhältnismäßigkeit ist.
Ein Verbot oder eine substantielle Einschränkung der Verschlüsselung würde
die Bürger "zwingen", bei der elektronischen Kommunikation nur noch "offene
Postkarten" zu verwenden. Würde man dies akzeptieren, so könnte man z. B.
auch verlangen,
- daß alle Hausschlüssel bei der Polizei zu hinterlegen sind, weil dies ja
Hausdurchsuchungen erleichtert,
- daß Safekombinationen bei der Polizei bekannt zu geben sind, weil dies bei
der Aufklärung von Wohnungseinbrüchen, etwa in Abwesenheit des
Wohnungsinhabers, hilfreich wäre, oder
- daß alle Geheimzahlen von Kreditkarten bei der Polizei bekannt sein
müssen, damit kriminelle Manipulationen mit Kreditkarten leichter
aufgeklärt werden können.
Die genannten Grundrechte schützen die Bürger nicht nur vor staatlichen
Eingriffen, sondern geben dem Staat auch die Pflicht, die Verwirklichung
dieser Grundrechte zu fördern. Der Staat sollte also, statt über eine
Einschränkung der Kryptierung nachzudenken, Maßnahmen unterstützen, die
möglichst viele Bürger in die Lage versetzen, sich selbst durch Kryptierung
zu schützen.
These 6:
Gegen organisierte Kriminalität hilft am besten Verschlüsselung
Als Hauptargument für die staatliche Einschränkung bzw. das Verbot der
Kryptierung werden die Gefahren aus der organisierten Kriminalität genannt,
die sich diese Technik zum vertraulichen Informationsaustausch zunutze
machen könnte.
Wenn aber staatliche Einschränkungen bzw. Verbote nicht wirksam kontrolliert
und durchgesetzt werden können, hätte dies zum Ergebnis, daß
Kryptierungsregelungen die gesetzestreuen Bürger, also die potentiellen
Opfer von Straftaten, beeinträchtigen würden, während gerissene und clevere
Kriminelle kaum daran gehindert werden könnten, sich der Kryptografie zu
bedienen.
In dieser Situation ist es geradezu ein Gebot, die Bürger vor organisierten
Verbrechern zu schützen bzw. genauer: ihnen zu erlauben, sich selbst wirksam
zu schützen. Denn nur so können sie finanzielle Transaktionen über Netze
abwickeln, ohne Opfer der Computerkriminalität zu werden.
Auch hier gilt: Prävention geht vor Repression. Es ist wie beim Kfz-
Diebstahl: Noch so gute polizeiliche Fahndungsmethoden nach gestohlenen
Autos sind nicht so gut wie wirksame elektronische Wegfahrsperren.
These 7:
Kryptodebatte steht für gravierende Umwälzungen
Durch Anwendung wirksamer Verschlüsselungstechniken "erobern" sich die
Bürger eigene Kompetenz beim Schutz ihrer Daten zurück. Ebenso können sie
sich selbst gegen kriminelle Delikte aus dem Netz schützen.
Der Staat befindet sich insoweit auf dem Rückzug. Dies liegt durchaus im
Trend der Reduzierung staatlicher Aufgaben (Stichwort: Verschlankung).
Es ist kaum vorstellbar, daß sich der Staat eine kostspielige "Datenpolizei"
leisten kann, die, wenn sie Verschlüsselungsreglementierungen durchsetzen
wollte, ohnehin auf verlorenem Posten stünde.
Der Landesbeauftragte fuer den Datenschutz Schleswig-Holstein
Duesternbrooker Weg 82, D-24105 Kiel
E-Mail: ldsh@netzservice.de
http://www.rewi.hu-berlin.de/Datenschutz/DSB/SH/
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