Autor Steffen Peter schrieb
in thur.comm.dfue am 11. Januar 1997 unter
der Message-ID 5b8vr8$5h@schacht.jena.thur.de
Internet via Funk
Steffen Peter und Lutz Donnerhacke
Die horrenden Preise der Telekom für Wählverbindungn dürften allgemein
bekannt sein. Die Nutzung von Standleitungen bietet an dieser Stelle zwar in
der Regel Geschwindigkeitsgewinne, aber auch hier gehen die Preise von 90 DM
pro Monat bis rauf zu unbezahlbar. Um dieser Situation Abhilfe zu schaffen,
hat ein Teil der Erfurter Mitglieder des Thüringen Netz e.V. begonnen,
Standleitungen mit Hilfe von Funkmodems zu realisieren. Diese Idee wurde von
einigen Jenaer Mitgliedern aufgegriffen und fortgeführt.
Bereits zum jetzigen Zeitpunkt existiert eine recht hohe Zahl von Anbietern
solcher oft auch als "wireless LAN's" bezeichneter Lösungen, doch zum CCC 96
standen nur Testgeräte von zwei Anbietern zur Verfügung.
Zunächst einige Worte zum grundlegenden Verständnis. Alle diese Geräte
arbeiten nach dem selben Prinzip wie das Handyfunknetz. Also ein Master, der
alle in seiner Reichweite befindlichen Slaves anspricht. Jeder dieser Master
bildet eine Funkzelle. Diese Funkzellen können sich überlappen, wobei die
Möglichkeiten hierbei soweit gehen, daß ein Slave beim durchqueren zweier
sich überlappender Funkzellen automatisch von einem Master zum anderen
wechselt. Dies funktioniert bei einigen Geräten bei Eigengeschwindigkeiten
des Slaves von bis zu 30 km/h. Die meisten Geräte dieser Art arbeiten im
Frequenzbereich von 2,4 bis 2,4387 GHz, also im Mikrowellenbereich. Diesen
Bereich nutzten auch die Geräte auf dem CCC. Zum einen handelte es sich
hierbei um Geräte aus der BreezeNet Serie der israelischen Firma BreezeCom.
Diese arbeiten im wide spectrum Verfahren, sprich sie senden auf 1000
Frequenzen im oben genannten Bereich gleichzeitig mit ziemlich genau 10% des
Rauschwertes. D.h. der Empfänger erkennt ein Signal daran, das auf allen
Frequenzen das Rauschen gleichzeitig um 10% an- oder abschwillt. Mit Hilfe
dieser Technik sind bei den BreezeCom Geräten Datenraten von bis zu 3 MBit
möglich, wobei die Geräte bei schlechten Verbindungen automatisch auf 2 bzw.
1 MBit runterschalten. Die Reichweiten dieser Geräte betrugen in der
konkreten Ausführung mit kleinen Antennen bis zu 600 m bei Sichtkontakt. Bei
Nichtvorhandensein einer Sichtverbindung schnitten die Geräte schlechter ab.
Beim Härtetest im ostdeutschen Plattenbau war nach zwei Stahlbetonwänden und
einer Gipswand Schluß. Diese Reichweiten lassen sich mit entsprechenden
Antennen selbstverständlich noch verbessern, doch dazu später mehr. Der
Anschluß dieser Geräte erfolgt über Ethernet in Form von Twisted Pair; die
Konfiguration mittels eines seriellen Anschlusses. Somit erfordert diese Art
von Geräten bei Punkt zu Punkt Verbindungen den geringsten Aufwand. Zwei
Steckdosen und dann an einem Gerät das Ethernetkabel rein, ein paar hundert
Meter Luft und am anderen das Kabel wieder raus - fertig. Bei
Punkt-Multipunkt Verbindungen ist ein BreezeCom Master in der Lage, bis zu
256 Clients zu verwalten.
Desweiteren standen uns zwei Wiman Geräte der Firma Philips zur Verfügung.
Diese Geräte arbeiten mit Hilfe des frequency hoppings, sprich Master und
Slave wechseln alle 7 ms nach einem festgelegten Schema die Frequenz. Der
Algorithmus für diesen Frequenzwechsel wird von den betroffenen Geräten
während des Verbindungsaufbaus ausgewählt. Mit Hilfe dieser Technik
erreichen die Philips Geräte Datenraten von 128 kBit. Für den
Reichweitentest standen uns leider nicht die Standardantennen, sondern nur
die nächstgrößere Art der Philips Antennen zur Verfügung, welche im
Gegensatz zu den kleinen Antennen schon einen Richtfunkcharakter haben
(horizontal 70 Abstrahlwinkel, vertikal 90 ). Insofern lassen sich die
Reichweiten nicht direkt mit denen der BreezeCom Geräte vergleichen. Mit
dieser Testkonfiguration gelang es uns, ein Gebäude quer, einen
Fünfgeschosser mit 3 Eingängen längs, eine Stahlbetonwand und dazwischen
eine Strecke von ca. 400m aufzubauen, wobei es sich bei den beiden ersten
Gebäuden um Ziegelsteinbauten handelte. Allerdings mußten auch die Wiman
Geräte bei einer weiteren Stahlbetonwand aufgeben. Der Anschluß der Wiman
Geräte erfolgt über die serielle Schnittstelle, über die auch die
Konfiguration erfolgt. Für letztere wird eine eigene Shell inklusive GNU
Regular Expressions zur Verfügung gestellt. Ein Wiman Master ist in der Lage
maximal 15 Clients zu bedienen.
Beider der hier vorgestellten Geräte sind in der Lage sowohl Punkt-zu-Punkt
als auch Punkt-zu-Multipunkt-Verbindungen aufzubauen. Die Philips Geräte
sind darüber hinaus auch in der Lage Multipunkt-zu-Multipunkt-Verbindungen
aufzubauen. Allgemein gilt für beide Geräte, das die angesprochene Reichweite
mit Hilfe von passenden Antennen mehr oder weniger stark zu vergrößern ist.
Allerdings sind die meisten der dafür notwendigen Antennen in Verbindung mit
den betreffenden Geräten in Deutschland nicht zugelassen. Einzeln, in
Verbindung mit einem schwächeren Sender oder als Empfangsantenne sind sie
jedoch gestattet. Hierbei kommt ein weiteres Problem zum tragen: Die meisten
der verfügbaren Geräte sind für den US-Markt konzipiert, wo ein solches Gerät
mit maximal 8 W senden darf. Dementgegen steht aber das europäische Recht,
welches besagt das in dem betreffenden Frequenzbereich nur mit maximal 10%
des Rauschwertes gesendet werden darf. Dies entspricht in etwa einer
Ausgangsleistung von 100 mW. Daher sollte man bei den Reichweitenangaben
der Anbieter vorsichtig sein, da sich diese in der Regel auf die Staaten
beziehen. Ein weiteres Problem ist das derzeitige Streben der Bundesregierung
nach Einführung einer Lizensgebühr für die betreffenden Frequenzen. Diese
orientiert sich zur Zeit an einem Wert von 50Pf pro erreichbaren Endbenutzer.
Interessanterweise gilt als erreichbarer Endbenutzer jeder theoretisch und
nicht technisch erreichbare. Dies bedeutet das für eine Stadt wie Jena mit
100.000 Einwohnern mal eben 50.000 DM nötig wären, selbst wenn man nur 10
Leute versorgen will oder kann (Weitere Informationen dazu auf der am
Ende genannten Webseite).
Nun noch etwas zum Thema Paranoia. Die BreezeCom Geräte sind aufgrund Ihrer
Technik durchaus abhörbar. Ob das Rauschen auf 1000 bekannten Frequenzen
gleichzeitig zu- oder abnimmt dürfte im Notfall sogar mit einem umgebauten
Kofferradio aus dem siebziger Jahren überprüfbar sein. Bei den Wiman Geräten
ist dies schon wieder wesentlich komplizierter. Da der Algorithmus der
Frequenzwechsel (offiziell) nur der Firma Philips bekannt ist, sollte es
wesentlich komplizierter sein, sämtlichen Frequenzsprüngen zu folgen und
mitzuhören. Und abgesehen von dieser rein physikalischen Sicherheit, sollte
es spätestens mit IPv6 auch möglich sein, einfach die Datenpakete zu
verschlüsseln.
Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden sich unter
http://www.iks-jena.de/mitarb/lutz/verein/funknetz/. Dort
befindet sich auch ein Link zur möglichen neuen Gebührenordnung für solche
Funknetze. Bei Fragen, Kommentaren oder Anregungen bitte die Newsgruppe
thur.comm.dfue (zur Not unter
news.thur.de benutzen).
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