Einen Dietrich für den Staat
Polizei und Geheimdienst wollen private Computerkommunikation
kontrollieren
Als die 'Task Force Kryptopolitik' - die Bonner Einsatztruppe in
Sachen Verschlüsselung elektronischer Daten - 1996 ihre Arbeit aufnahm, sollte
sie rasch zuschlagen. Bis zum Jahresende, hieß es, würden die
Experten von Innen- und Wirtschaftsministerium Vorschläge machen, um zu verhindern,
daß Informationen im Internet ohne staatliche Kontrolle zirkulieren. Nun spricht
das Innenministerium von einem Termin 'bis zum Sommer', an dem
Details zu einem 'Kryptogesetz' publik gemacht werden sollen. Ähnlich
wie bei dem soeben vom Bundesbeauftragten für Datenschutz kritisierten Paragraphen
im geplanten Informations- und Kommunikationgesetz - danach müssen Anbieter von
Onlinediensten Kundendaten an Behörden weitergeben -, verbirgt sich hinter einem
Kryptogesetz vor allem eine Prestige- und Arbeitserleichterungsvorschrift für Polizei und
Geheimdienst. Per Gesetz soll den Bürgern verboten werden, ihre elektronische
Post so zu verschlüsseln, daß sie nur für den Adressaten
zu entziffern ist.
Tauziehen zwischen Wirtschaft und Sicherheitsbehörden
Hinter den Kulissen hat zwischen Wirtschafts- und
Computerfachleuten sowie Sicherheitsbehörden ein Tauziehen begonnen. Die Überwachungsspezialisten wollen durchsetzen,
daß nur bestimmte Verschlüsselungsverfahren legal sind. Bei Bedarf wollen sie
an diejenigen elektronischen 'Schlüssel' herankommen, die es erlauben, Nachrichten wieder
zu dechiffrieren. Sie fordern also eine Art Dietrich für den
Staat. Oder, wie ein Experte es ausdrückt: Ein Telephonat in
einem der 300 Hindi-Dialekte wäre verboten, falls die Sicherheitsbehörden nicht
gerade über einen Übersetzer verfügten.
Gift für Geschäfte im Internet
In Wirtschaftskreisen dagegen weiß man,
daß eine solche Regelung Gift für Geschäfte im Internet wäre.
Denn im Grunde läuft eine staatliche Kontrolle auf folgendes hinaus:
Es müßte mehrere zentrale Stellen geben, welche alle Schlüssel verwalten.
Das ist zwar auch für die digitale Unterschrift vorgesehen, die
in Zukunft zum Beispiel Verträge im Internet juristisch wasserdicht machen
soll. Für Signaturen aber ist die Regelung sinnvoll, denn sie
garantiert, daß eine Unterschrift nicht gefälscht werden kann. Weniger sinnvoll
ist sie für andere Arten des Informationsaustauschs. Denn Schlüssel-Zentralen könnten
leicht zum Angriffsziel werden. Welche Firma würde sich dann darauf
verlassen, geheime Unterlagen übers Netz zu verschicken, wenn die Möglichkeit
besteht, diese zu entziffern? Schon häufen sich Meldungen über Wirtschaftsspionage
im Internet. Und wer würde größere Geldbeträge elektronisch überweisen? Das
wissen die Fachleute, und sind gegen ein Kryptogesetz.
Kein Werkzeug gegen Kriminelle
Jene Menschen
dagegen, denen man mit dem geplanten Gesetz das Handwerk legen
will - Geldwäscher und andere Kriminelle -, würden sich vermutlich
kaum davon gestört fühlen. Denn ein Verbot staatlich nicht genehmigter
Verschlüsselungsverfahren läßt sich relativ leicht umgehen - schon heute gibt
es Techniken, einen Text in einem Bild zu verstecken,
so daß man ihn nicht findet. Der Fahndungserfolg wäre, so
die einhellige Meinung von Computerexperten, verschwindend gering, der Nachteil für
die Gesellschaft dagegen groß.
Jeanne Rubner
Siehe auch:
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