Soviel Heimlichkeit in der Weihnachtszeit:
Bundesregierung plant Krypto-Verbot
Tauss: Frontalangriff auf den Wirtschaftsstandort
Deutschland
Der SPIEGEL berichtet in seiner morgigen Ausgabe,
daß die Bundesregierung in aller Eile restriktive gesetzliche Regelungen für
den Gebrauch von Verschlüsselungstechnik beschließen will. Nach Angaben des
Nachrichtenmagazins sollen Kryptoverfahren künftig generell
genehmigungspflichtig werden. Der Vertrieb von Programmen oder Hardware, die
kein "Schlüsselloch" für die Sicherheitsbehörden enthalten, soll unter
Strafe gestellt werden. Wer Programme, wie z.B. das bekannte und im Internet
weit verbreitete "Pretty Good Privacy (PGP)" trotzdem nutzt, muß also
künftig damit rechnen, "zu weiteren Ermittlungen Anlaß zu geben".
Dazu erklärt der Medienexperte der SPD-Bundestagsfraktion Jörg
Tauss:
Die Bundesregierung hat ihre Karten nun auf den Tisch gelegt. Ihr
Vorhaben, teilnehmerautonome Verschlüsselung restriktiv zu
regulieren und die Anwender sicherer Verschlüsselungsverfahren in
die Nähe von Kriminellen zu rücken, ist ein neuer Höhepunkt in dem
Wettbewerb von Forschungsminister Rüttgers und Innenminister
Kanther unter dem Motto: "Wer zerstört die Konkurrenzfähigkeit der
deutschen Zukunftsunternehmen am Besten". Blumen für Kanther:
Diesmal hat er die Nase vorn, sein Frontalangriff auf den
Wirtschaftsstandort Deutschland wird sitzen!
Das vertrauliche Treffen der Referenten der Innenministerien aus
Bund und Ländern gestern in Bonn diente also dazu, die Länder rasch
auf die "Law and Order"-Linie des BMI und des Präsidenten des
Bundesamtes für den Verfassungsschutz, Peter Frisch, einzuschwören,
damit öffentliche Kritik von Fachleuten und Unternehmen bezüglich
eines Krypto-Verbotes in der friedlichen Stille der
Weihnachtsfeiertage nicht voll zum Tragen kommt.
Entgegen dem Bericht des SPIEGEL können es aber kaum "Experten"
sein, die in der Bundesregierung für strikte Krypto-Regulierung
plädieren. Denn international herrscht unter Fachleuten nämlich längst
Einigkeit, daß derartige Regelungen, wie sie die Bundesregierung nun
vorschlägt,
- nicht durchsetzbar sind, will man nicht einen Überwachungsstaat
Orwell'schen Ausmaßes, der alle Kommunikationsvorgänge seiner
Bürger prophylaktisch überwacht,
- Kriminelle nicht hindern wird, sich der Strafverfolgung durch den
Gebrauch "illegaler" Kryptographie und anderer Verfahren zu entziehen,
- lediglich dazu führen, daß Datenschutz und Datensicherheit für
gesetzestreue Unternehmer und Privatleute nicht wirksam verwirklicht
werden können.
International operierende Unternehmen, aber auch auf Vertraulichkeit
und Sicherheit bedachte Privatleute sind jedoch auf wirksame,
teilnehmerautonome Verschlüsselungsverfahren angewiesen. In offenen
Datennetzen wie dem Internet besteht dafür ein legitimes, vitales Interesse.
Die Bundesregierung muß sich also die Frage gefallen lassen, wie sie
international operierenden deutschen Unternehmen künftig garantieren will,
daß durch das geforderte "Schlüsselloch" nur die heimischen Behörden und
nicht auch die (ausländische) Konkurrenz schaut? Und falls das Beispiel der
Bundesregierung woanders Schule macht: Wie soll sich die Niederlassung eines
deutschen Unternehmens im Ausland gegenüber dem Gastland rechtfertigen, daß
er nur den Behörden im Heimatland einen Blick durch das "Schlüsselloch"
gewähren will?
Effektive Verbrechensbekämpfung, auch in einer globalen
Informationsgesellschaft zu gewährleisten, bleibt eines der wichtigsten
Ziele verantwortungsvoller Politik. Dazu bedarf es jedoch konstruktiver
Vorschläge für wirkungsvolle, verfassungsverträgliche Maßnahmen. Die nun vom
SPIEGEL öffentlich gemachten Pläne der Bundesregierung gehören nicht dazu.
Sie sind symbolische Stammtischpolitik.
20.12.1996 / moe
Joerg Tauss, MdB, Bundeshaus, 53113 Bonn
Tauss@mdb5.bn.eunet.de
Tel.: + 49 - 228 - 1687639
Fax: + 49 - 228 - 1686639
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